Eine Woche im Ishinca-Tal
Huaraz hüllte sich am nächsten Tag in dichte Wolken und während wir uns im Cafe Andino mit feinem Tee und Kaffee die Zeit vertrieben, prasselten auch ein paar Regentropfen an die Fensterscheiben. Doch die Schlechtwetterfront dauerte nicht lange an und so hieß es bald wieder Vorräte einkaufen und nichts wie ab in die Berge. Gemeinsam mit Lukas deckten wir uns mit einer ordentlichen Portion Gemüse, Obst, Käse, Brot und was man sonst noch so alles für etwa eine Woche in der Wildnis brauchen könnte ein. Zeitig am nächsten Morgen ging es mit Carlos Richtung Süden. Schon bald verließen wir die gute Asphaltstraße des Santatals und ruckelten etwas länger als nötig (wir hatten die richtige Abzweigung verpasst) über Collon nach Pashpa, dem Ausgangsort unserer nächsten Unternehmung. Bald war auch “German Loly” ein Ortsansässiger, dem wir unser Auto anvertrauen sollten, ausfindig gemacht. Die Eseltreiber starteten jedoch etwas außerhalb des Ortes, so dass wir zuerst noch unseren riesigen Berg an Ausrüstung dorthin verfrachten mussten. Um uns einen gemütlicheren Aufstieg zu gönnen wurde alles was möglich war auf insgesamt drei Esel gepackt. Mit nahezu leeren Rucksäcken machten wir uns auf den langen Weg ins Ishincatal. Auf einmal hielt uns ein Einheimischer auf, der sich als Nationalparkranger auswies. An das hatten wir überhaupt nicht mehr gedacht, dass wir natürlich wieder im Nationalpark Huascarán unterwegs sein würden. Unsere Tickets glaubten wir jedoch bei unseren Reisepässen im Auto verstaut zu haben. Da wir bereits über eine Stunde unterwegs waren, kam es für uns nicht in Frage noch einmal den Rückweg nach Paspha anzutreten. Neue Tickets wollten wir jedoch auch nicht kaufen, da unsere noch gültig waren. Mit viel Überredungskünsten und 10 Soles konnten wir den armen Mann, der auch nicht wusste was er mit uns machen sollte, dazu überreden, dass wir ihm bei unserer Rückkehr einen Besuch mitsamt der Tickets abstatten würden. Als Absicherung für ihn hinterließen wir Annas Alpenvereinskarte, die wir als eine für uns unverzichtbare “Versicherungs- und Bergausweiskarte” ausgaben. Der Weiterweg führte durch ein anfangs von schönen Bäumen dicht bewachsenes Tal vorbei an einem klaren sich immerzu schlängelnden Gebirgsbach. Von weitem konnte man schon den Tocllaraju mit seiner schönen Pyramidenform über dem Tal thronen sehen.
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Auf einem schönen, zwischen großen Steinblöcken geschützt gelegenen Platz bauten wir unser Lager fernab vom Refugio Ishinca 4350m auf. Der riesige Lagerplatz war zu diesem späten Zeitpunkt in der Saison beinahe unbevölkert. Lediglich ein paar vereinzelte Zeltgrüppchen und weidendes Vieh wiesen auf das ansonsten sehr stark frequentierte Camp hin. Wir richteten uns ein richtig gemütliches Lager ein und ein Steintisch samt Steinhocker bot sich optimal zum Kochen, Essen und gemütlichen Zusammensitzen an. Um uns im Tal besser Orientieren zu können legten wir am nächsten Tag bereits einen “Rast- und Ruhetag” ein, kochten uns leckeres Essen und suchten den Weg Richtung Ishinca für den nächsten Tag. Ausgerüstet mit zwei Benzinkochern konnten wir auch beinahe uneingeschränkt nach Lust und Laune kochen. Bereits um zwei Uhr nachts ging es am nächsten Morgen Richtung Ishinca. Wir waren froh einen Teil des Weges bereits zu kennen. Nach ein paar unbekannten Abzweigungen im Dunkeln die jedoch noch folgten und bei denen wir den Weg nach Gefühl wählten, standen wir auch bald vor dem Gletscher. Die Spuren verliefen sich in der Dunkelheit und so entschieden die beiden Männer, wir sollten unseren Weiterweg durch eine steile Rinne fortsetzten. Anstrengend, aber unschwierig ging es nach oben. In der Zwischenzeit kam uns das Licht des anbrechendes Tages bei der Orientierung zur Hilfe. Unweit dem Ende der Rinne trafen wir auf eine Spur die der logischen Richtung folgte. Es dauerte nicht mehr lange bis wir eine Spaltenzone überwunden hatten und über einen kurzen Steilaufschwung den Gipfel erklettern konnten. Bei angenehmen Temperaturen konnten wir uns so richtig über den Gipfelerfolg freuen und mit herrlicher Aussicht “Frühstücken”.
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Um nicht wieder über den gleichen Weg zurück zu müssen, beschlossen wir kurzfristig über die andere Seite abzusteigen. Nachdem wir uns dazu ein paar Meter abgeseilt hatten und eine Spalte übersprungen hatten, lag nur noch eine völlig einfache, jedoch genussreiche Gletscherwanderung vor uns. Eine andere Seilschaft, die einen etwas gefährlichen Weg durch eine Spaltenzone fernab der “Spur” gewählt hatte, kam uns noch entgegen. Ansonsten genossen wir die Einsamkeit und die schönen Ausblicke auf Tocllaraju und Co. Die Sonne brannte herrlich auf den flachen Gletscher und schon bald erreichten wir die Moräne. Bei diesen angenehmen Temperaturen ließen sich Lukas und Martin ein Vormittagsschläfchen auf über 5.000 m nicht nehmen, das jedoch zwischen kleineren und größeren Steinen relativ unbequem wirkte. Ausgeruht ging es danach zügig zurück ins Basecamp. Alle drei waren wir sehr positiv von dem ansonsten viel bestiegenen Berg überrascht. Am nächsten Tag folgte wieder ein fauler Tag mit ausruhen, essen und Rucksackpacken für den Tocllaraju. Doch als wir am darauffolgenden Tag motiviert aus unseren Zelten schauten, begrüßten uns anstatt der Sonne dichte Wolken. Lange berieten wir was wir machen sollten. Nachdem jedoch die Wolken sich zur Mittagszeit langsam etwas auflockerten und sich auch etwas blauer Himmel zeigte, beschlossen wir doch noch ins Hochlager aufzusteigen. Die kommenden etwa 700 hm ins Moränenlager auf nicht ganz 5.000 m wurden für uns zu einer richtigen Belastungsprobe. Obwohl wir bei der Ausrüstung an allen Ecken und Enden versuchten zu sparen und auch nur ein Zelt für uns drei mit hatten, waren die Rucksäcke so schwer wie noch nie. Zwei Eisgeräte pro Nase und sämtliche andere Eisausrüstung wie auch ein zweites Seil blieben leider nicht unbemerkt. Auch ein anderer Österreicher der mit einer Amerikanerin unterwegs war hatte sich gemeinsam mit uns entschieden noch aufzusteigen. Doch hielt die Wetterbesserungstendenz nicht an und wir waren erleichtert bei Hagel eine Campingmöglichkeit direkt neben einem Schneefeld zu finden.
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Nachdem das Zelt sturmsicher befestig war, starteten wir den Kocher, der nun mit einer “großen” Gaskartusche betrieben wurde, im Vorzelt zum Schneeschmelzen. Doch auf dieser Höhe hatte auch der Gaskocher schon deutliche Leistungseinbußen und nachdem wir so sparsam wie möglich mit dem Gas umgehen mussten, fand Lukas schließlich ein winziges Rinnsal vom nahen Gletscher das uns mit dem nötigen Trinkwasser versorgen konnte. Am Abend besserte sich das Wetter wieder etwas und eine schöne Abendstimmung ließ uns hoffnungsvoll in unsere Schlafsäcke klettern. Eng zusammen gekuschelt versuchten wir etwas Schlaf zu finden. Da es jedoch beim ersten Blick aus dem Zelt Schneite und weit und breit kein Stern am Himmel zu sehen war, verschoben wir unsere geplante Aufbruchzeit. Auch beim zweiten Versuch hatte sich die Wettersituation nicht grundlegend geändert und wir mussten einsehen, dass es wohl an diesem Tag nichts mit dem Gipfel werden würde. Nach dieser unruhigen Nacht waren wir umso enttäuschter, als uns in der Früh dann doch die Sonne entgegen lachte. Wir hofften, dass unsere Gasvorräte für einen weiteren Tag reichen würden und beschlossen abzuwarten. Da wir unser Essen sehr knapp für eventuell einen Reservetag einkalkuliert hatten, hangen unsere ganzen Hoffnungen am kommenden Tag oder eher der Nacht. Wieder läutete um 1Uhr der Wecker. Doch wie auch schon am Vortag verschoben wir einen möglichen Aufstieg nach hinten da heftige Winde über das Zelt hinwegfegten. Nachdem wir glaubten, dass sich der Sturm etwas gelegt hatte, brachen wir gegen drei Uhr auf auf. Wir waren überrascht am Gletscher bereits weiter oben Lichter zu erkennen. Am Vortag war ein Bergführer mit Client (und Hochträgern!) noch ins Moränenlager aufgestiegen. Da sie jedoch einen etwas höhergelegenen Lagerplatz gewählt hatten, wussten wir auch nichts von ihnen. Motiviert von den Lichtern kämpften wir uns gegen den entgegenkommenden Sturm der mit steigender Höhe immer stärker wurde. Eiskristalle die von Sturmböen mitgerissen wurden, “bohrten” sich wie lauter einzelne Nadelstiche in unsere Gesichter und so mussten wir immer wieder anhalten und uns vom Wind abwenden und die Augen zusammenkneifen. Doch das größere Problem war die Kälte, die der Wind mit sich brachte. Auf etwa 5.500 m hatte Lukas bereits so kalte Zehen, dass wir hielten und versuchten sie mit einem Wärmepad wieder etwas aufzuwärmen. Da der Wind immer stärker wurde und die wärmende Sonne noch lange entfernt sein würde, beschlossen wir umzukehren. Auch Stefan und Amber, die sich im Sturm etwas vergangen hatten, hatten sich aufgrund der Kälte für einen Rückzug entschieden. Später erfuhren wir, dass auch der Guide am Grat aufgrund des starken Windes zum Umdrehen gezwungen wurde, da es einfach an diesem Tag zu gefährlich war verblasen zu werden.
Enttäuscht kamen wir wieder bei unserem Lagerplatz an. Stefan wollte ins Tal absteigen um sich noch mehr Verpflegung zu holen um noch einen Gipfelversuch zu starten. Da jedoch keiner von unserer Gruppe die überschüssige Energie und Motivation für Selbiges hatte, stiegen wir nach einem spärlichen Mittagessen wieder zurück ins Basislager. Martin und Lukas gönnten sich zur Entschädigung ein paar Bierchen beim Refugio. Da wir für einen neuerlichen Gipfelversuch weder das nötige Gas noch die Verpflegung hatten, beschlossen wir den Abstieg zu Carlos für den nächsten Tag. Um unsere Enttäuschung etwas zu mindern beschlossen Anna und Lukas zuvor noch den Urus zu besteigen. Wieder war die Nacht kurz doch dieses mal blickten uns unzählige Sterne von einem unbedeckten Himmel entgegen. Wir wussten nicht ob wir uns ärgern sollen über unser Wetterpech der letzten beiden Tage oder ob wir uns über diese Möglichkeit freuen sollten. Wir zogen letzteres vor und nach einem raschen Aufstieg mit angenehmen Rucksäcken (wir hatten uns aufgrund der technisch einfachen Route und der Info, dass es keine gefährlichen Spalten gebe, für einen Aufstieg ohne Seil entschieden) erreichten wir beinahe gemeinsam mit der aufgehenden Sonne den Gipfel. Wir genossen die wunderbare Aussicht vom Urus bei beinahe Windstille und trauerten ein klein wenig dem Tocllaraju nach. Bereits um knapp nach 9 Uhr waren wir wieder zurück im Basislager wo uns Martin bereits mit vorbereiteten Frühstück erwartete. Wir verkochten noch unsere Essensreste zu einem schnellen Mittagessen bevor es zurück ins Tal ging. Trotz dem fehlenden 6.000er Gipfel hatten wir eine schöne Woche in den Bergen verbracht und viel Spaß gemeinsam gehabt. Zum Ausklang ging es zurück in Huaraz direkt in eine Pizzeria, wo Martin und Lukas sich mit jeweils 1,5 Pizzen stärkten und sich Anna mit einer ganzen Pizza und einer riesigen Schüssel Salat den Bauch vollstopfte.
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